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Nextgen Scrum Master

Als ich gestern meinen 9-jährigen Sohn nach dem Wochenende zurück in den Nachbarort zu seiner Mutter brachte, fuhren wir durch zahlreiche Baustellen: Brücken, Straßen, Kanalisationen und Häuser – vieles erinnerte noch an die Flutkatastrophe von 2021. Von der Rückbank hörte ich plötzlich seinen nachdenklichen Kommentar: “Warum können die sich nicht mal zusammentun und im Team zusammenarbeiten? Erst einmal eine Baustelle beenden und dann die nächste angehen? Im Team ist man doch viiiiel schneller.” Ich musste schmunzeln und dachte: Mein Sohn ist der geborene Scrum Master.

Scrum: Ein Überblick

Scrum ist ein agiles Rahmenwerk, das ursprünglich für die Softwareentwicklung entwickelt wurde, inzwischen aber in vielen Branchen Anwendung findet. Es basiert auf der Idee, komplexe Projekte in kleinere, überschaubare Einheiten zu unterteilen und diese iterativ abzuarbeiten. Zentrale Elemente von Scrum sind:
Transparenz: Alle Beteiligten haben stets Einblick in den aktuellen Stand des Projekts.
Überprüfung: Regelmäßige Reviews stellen sicher, dass die Ergebnisse den Anforderungen entsprechen.
Anpassung: Auf Basis der Überprüfungen werden notwendige Anpassungen vorgenommen.

Diese Prinzipien fördern eine effektive Zusammenarbeit und helfen, Verschwendung zu minimieren.

Scrum könnte auch die Arbeitsweise im Bauwesen verbessern

Die Idee meines Sohnes, gemeinsam als Team eine Baustelle nach der anderen abzuschließen, spiegelt die Scrum-Prinzipien wider. Im Bauwesen könnte Scrum folgendermaßen umgesetzt werden:
Multidisziplinäre Teams: Alle notwendigen Fachrichtungen arbeiten gemeinsam an einem Projektabschnitt, z.B. der Fertigstellung eines Stockwerks.
Kurze Arbeitsphasen (Sprints): In definierten Zeiträumen werden konkrete Ziele erreicht, was Flexibilität und schnelle Anpassungen ermöglicht.
Regelmäßige Abstimmungen: Tägliche Meetings fördern die Kommunikation und das frühzeitige Erkennen von Problemen.

Durch diesen Ansatz können Projekte effizienter und mit höherer Qualität realisiert werden.

Was können wir daraus lernen?

Die kindliche Beobachtung meines Sohnes zeigt, dass die Prinzipien von Scrum – Teamarbeit, Fokussierung auf einzelne Aufgaben und iterative Prozesse – nicht nur in der Softwareentwicklung, sondern auch im Bauwesen und anderen Bereichen zu effizienteren Ergebnissen führen können. Vielleicht sollten wir öfter auf solche simplen, aber effektiven Ansätze hören.

Warum nach 25 Jahren noch eine Ausbildung zum Systemischen Agile Coach?

In meine berufliche Karriere bin ich mehr oder weniger „reingeschlittert“.
Klar, ich hatte Vorkenntnisse aus dem Lehramtsstudium, 2 Jahren Reserveoffiziersausbildung. Aber was befähigt jemanden dazu Menschen zu führen? Und dann noch einen Quereinsteiger wie mich? Viel habe ich durch Intuition, Literatur und Ausprobieren hinbekommen.


Als ich mich 2024 nach 14 Jahren Director Technology als Agile Leader, Scrum Master & Coach selbständig machte, wollte ich neben dem Advanced Scrum Master noch eine andere Grundlage.

Der Übergang vom „Manager“ zum „Agile Leader“ hatte irgendwie schleichend stattgefunden. So richtig festmachen kann man es gar nicht. Das erste Scrum Projekt fand Ende 2008/2012 statt. Damals wurden wir von @Boris Gloger geschult. Ziemlich lange. Aber offiziell als Scrum Master habe ich zuerst 2019 gearbeitet. Seit diesem Zeitpunkt habe ich auch intensiver mit Scrum, Kanban, Lean & Co aus der Sicht des Agile Coaches/Scrum Masters auseinandergesetzt. Bis dato hatte ich mich vornehmlich um agile Software Entwicklung aus technischer Sicht gekümmert.
Ein Blick auf das Agile Coaching Growth Wheel zeigte mir, dass eine Vertiefung im Bereich Coaching Sinn machen könnte.

Agile Coach Growth Wheel


Als ich mein Netzwerk nach Erfahrungen im Bereich „Agile Coach“ fragte, kam die Antwort: Versuche es doch einmal mit der Ausbildung zum Systemischen Agile Coach
Nach einer ausgiebigen Recherche und einer Informationsveranstaltung entschied ich mich für @InKonstellation. Die Ausbildung hier ist von den wichtigen Verbänden anerkannt und man kann sich auch von der IHK oder dem TÜV zertifizieren lassen.
Jetzt, nachdem die wichtigsten Module der Ausbildung hinter mir liegen, muss ich sagen: Keine andere Weiterbildung vorher hat mich so stark vorangebracht.

Als Führungskraft habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen und inhaltliche Vorgaben zu machen. Zwar habe ich immer versucht, meine Mitarbeiter und Kollegen mit einzubinden, aber die Haltung eines Coaches ist doch noch einmal etwas ganz anderes und es lohnt sich die Auseinandersetzung damit.
Ein Coach nimmt eine neutrale, wertschätzende und ressourcenorientierte Haltung ein. Statt Lösungen vorzugeben, begleitet er den Klienten dabei, eigene Antworten zu finden und neue Perspektiven zu entwickeln. Dies fördert Eigenverantwortung, Selbstorganisation und nachhaltige Veränderungsprozesse.

Ein hilfreiches Modell zur Veranschaulichung dieser Haltung ist das Inselmodell, das verdeutlicht, dass jeder Mensch seine eigene „Insel“ aus Erfahrungen, Überzeugungen und Wahrnehmungen hat. Als Coach geht es nicht darum, den Klienten auf die eigene Insel zu ziehen, sondern ihm durch gezielte Fragen und aktives Zuhören zu helfen, seine eigene Insel zu reflektieren und neue Brücken zu anderen Sichtweisen zu bauen.

Dies steht im Einklang mit dem Konstruktivismus, der besagt, dass jeder Mensch seine eigene Realität konstruiert. Ein systemischer Coach geht daher nicht von einer objektiven Wahrheit aus, sondern hilft dem Klienten, seine eigene Wirklichkeitskonstruktion zu hinterfragen und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entdecken.

Ein weiteres für mich wichtiges Konzept ist die Lösungsfokussierte Kurzzeittherapie von Steve de Shazer, die auch im Coaching Anwendung findet. Sie konzentriert sich weniger auf Probleme und deren Ursachen, sondern auf Lösungen und bereits vorhandene Ressourcen. Der Coach unterstützt den Klienten dabei, kleine Veränderungen anzustoßen, die große Wirkung haben können – ganz nach dem Prinzip: „Repariere nicht, was nicht kaputt ist. Finde heraus, was funktioniert, und tue mehr davon. Wenn etwas nicht funktioniert, tue etwas anderes.“

Durch diese systemischen Ansätze wird deutlich, dass Coaching nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für agile Teams und Organisationen wertvoll ist, da es hilft, eigenständige Lösungen zu entwickeln, Selbstorganisation zu stärken und Veränderungsprozesse nachhaltig zu begleiten.

Die Coaching Ausbildung ist ein Baustein, der meine eigene persönliche Entwicklung noch einmal vorangebracht und mit der Haltung eines Coaches etwas in meinen Koffer gepackt, das vielleicht bisher gefehlt hat.

T-Shaped worker created by AI

„T-Shaped People“: Was sind das für Menschen und wie bekomme ich mehr davon in mein Unternehmen?

T-shaped People sind Fachkräfte, die eine Kombination aus tiefem Fachwissen in einem bestimmten Bereich (der vertikale Strich des “T”) und breiten, interdisziplinären Fähigkeiten (der horizontale Strich) besitzen. Diese Kombination macht sie sowohl in ihrem Spezialgebiet leistungsfähig als auch flexibel in der Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen.
Die Anforderungen moderner Organisationen und Märkte machen diesen Kompetenzmix zunehmend wertvoll.

Hier sind die wichtigsten Gründe, warum T-shaped Menschen heute so notwendig sind:

  1. Komplexität moderner Probleme
    • Interdisziplinäre Herausforderungen: Viele Probleme – wie Klimawandel, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz – erfordern das Zusammenwirken verschiedener Fachbereiche. T-shaped Menschen können ihre Spezialisierung einbringen und gleichzeitig über den Tellerrand blicken, um innovative Lösungen zu entwickeln.
    • Systemdenken: Komplexe Systeme (z. B. in der Technik oder im Gesundheitswesen) erfordern ein tiefes Verständnis eines Fachbereichs und gleichzeitig Wissen über deren Wechselwirkungen mit anderen Disziplinen.
  2. Teamarbeit und Kollaboration
    • Cross-funktionale Teams: Unternehmen setzen zunehmend auf agile und cross-funktionale Teams, die Mitglieder aus verschiedenen Disziplinen vereinen. T-shaped People sind in der Lage, die Sprache anderer Disziplinen zu verstehen und Brücken zwischen Teammitgliedern zu bauen.
    • Kommunikation und Übersetzung: Sie agieren als “Übersetzer” zwischen Spezialisten und Generalisten, was den Wissensaustausch erleichtert und Silos in Unternehmen abbaut.
  3. Innovationsförderung
    • Vielfalt der Perspektiven: Innovation entsteht häufig an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen. T-shaped Menschen können neues Wissen mit ihrer Spezialisierung verbinden und so kreative Lösungen entwickeln.
    • Flexibilität bei Technologien: Neue Technologien wie Cloud Computing, Data Science oder Machine Learning erfordern oft ein breites Grundwissen, kombiniert mit einer spezialisierten Anwendungskompetenz.
  4. Anpassung an dynamische Märkte
    • Schnelle Veränderungen: Die Geschwindigkeit technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen erfordert Mitarbeitende, die sich schnell an neue Umstände anpassen können. T-shaped Menschen sind vielseitig und lernen leicht neue Fähigkeiten.
    • Zukunftsfähigkeit: In einer Welt, in der viele Jobs durch Automatisierung oder Digitalisierung verschwinden, sind T-shaped Fähigkeiten ein Schlüssel für Beschäftigungsfähigkeit. Sie können sich auf neue Rollen vorbereiten und neue Chancen ergreifen.
  5. Kundenorientierung und Nutzerzentrierung
    • Ganzheitliches Verständnis: In kundenorientierten Geschäftsmodellen (z. B. Design Thinking, Agile Development) ist ein breiter Überblick entscheidend. T-shaped Menschen können Kundenbedürfnisse über verschiedene Berührungspunkte hinweg verstehen und umsetzen.
    • Empathie für Nutzer: Durch die horizontale Bandbreite können sie sich in unterschiedliche Perspektiven hineinversetzen – von der Technik bis zur Psychologie.
  6. Wettbewerbsvorteil für Unternehmen
    • Effiziente Nutzung von Talenten: T-shaped Menschen können verschiedene Rollen einnehmen, was sie für Unternehmen vielseitig einsetzbar macht. Das spart Ressourcen und fördert Flexibilität.
    • Kulturelle Passung: T-shaped Menschen fördern offene, lernende Unternehmenskulturen, die in einem globalisierten, vernetzten Wettbewerb entscheidend sind.
  7. Förderung von Resilienz
    • Resilienz in Teams: In Zeiten von Unsicherheiten und Krisen (z. B. pandemiebedingte Umstellungen) sind Teams mit T-shaped Mitgliedern besser gerüstet. Sie können sich gegenseitig unterstützen und Aufgaben übernehmen, die nicht ihrem Kernbereich entsprechen.
    • Lern- und Anpassungsfähigkeit: Diese Menschen sind besonders lernbereit, was ihnen hilft, sich auch in turbulenten Phasen weiterzuentwickeln.

Beispiel: Digitalisierung und T-shaped Skills

In der digitalen Transformation sind T-shaped Kompetenzen besonders gefragt:
Ein Datenwissenschaftler benötigt tiefes Wissen über Algorithmen (vertikaler Strich des T), aber auch grundlegende Kenntnisse über Geschäftsprozesse oder ethische Implikationen von KI (horizontaler Strich).
Ein Marketingexperte braucht Fachkenntnisse in Markenführung, aber auch technisches Wissen über digitale Kanäle und Analysewerkzeuge.

Solche Talente zu entwickeln oder zu gewinnen, ist eine strategische Herausforderung, aber es gibt gezielte Ansätze, um dies zu fördern.

  1. Identifikation und Förderung von Tendenzen
    • Bestehendes Talent analysieren: Identifiziere Mitarbeitende, die bereits Neugier und Interesse über ihre Fachbereiche hinaus zeigen. Menschen mit einer natürlichen Lernbereitschaft und Teamfähigkeit eignen sich besonders.
    • Soft Skills evaluieren: T-shaped People zeichnen sich oft durch ausgeprägte Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeiten aus. Führungskräfte sollten diese Eigenschaften fördern und belohnen.
  2. Entwicklungsprogramme
    • Cross-Training: Fördere Mitarbeitende durch Schulungen in angrenzenden oder komplementären Fachbereichen. Beispiel: Ein Entwickler kann in UX-Design eingeführt werden, um ein besseres Verständnis für die Nutzerperspektive zu entwickeln.
    • Rotationsprogramme: Mitarbeitende wechseln temporär in andere Abteilungen, um neue Perspektiven und Wissen zu gewinnen.
    • Mentoring: Paare Mitarbeitende mit unterschiedlichen Stärken, sodass sie voneinander lernen können.
  3. Förderung einer Lernkultur
    • Interdisziplinäre Projekte: Ermutige Teams, die aus Fachkräften mit unterschiedlichen Schwerpunkten bestehen, zusammen zu arbeiten So lernen Mitarbeitende voneinander und verbessern ihre horizontale Kompetenz.
    • Lebenslanges Lernen: Stelle Ressourcen für Weiterbildungen bereit, wie Online-Kurse, Konferenzen oder Workshops. Fördere explizit die Erweiterung der Fähigkeiten, die außerhalb des eigenen Fachgebiets liegen.
  4. Einstellungsstrategie
    • Suche nach Generalisten mit Spezialisierung: Bei der Rekrutierung solltest du nach Talenten suchen, die bereits bewiesen haben, dass sie flexibel lernen und interdisziplinär denken können.
    • Fragen zu Neugier und Teamfähigkeit: Stelle im Bewerbungsgespräch Fragen wie: “Beschreiben Sie eine Situation, in der Sie außerhalb Ihrer Komfortzone arbeiten mussten.” oder “Wie bringen Sie Ihr Fachwissen in Teams mit anderen Disziplinen ein?”
  5. Arbeitsumfeld und Kultur
    • Kooperation fördern: Schaffe ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende offen über Fachgrenzen hinweg kommunizieren können. Tools wie interaktive Plattformen oder regelmäßige Knowledge-Sharing-Events können helfen.
    • Experimentieren zulassen: Erlaube Mitarbeitenden, neue Ansätze auszuprobieren und über ihr Fachgebiet hinaus aktiv zu werden. Fehler sollten dabei als Lernchancen gesehen werden.
  6. Tools und Technologien
    • Nutze Kollaborationsplattformen (z. B. Slack, Miro, Notion), um interdisziplinäre Zusammenarbeit zu erleichtern.
    • Data Literacy fördern: Unabhängig vom Fachgebiet sollten Mitarbeitende mit Daten umgehen können. Dies ist eine Kernkompetenz für die horizontale Entwicklung.

Beispiel in der Praxis

Ein Unternehmen wie Google fördert T-shaped People durch “20%-Zeit”, in der Mitarbeitende an Projekten außerhalb ihres Fachgebiets arbeiten können. Dadurch entsteht eine Kultur, in der sowohl tiefe Expertise als auch breite Fähigkeiten geschätzt werden.

Fazit

T-Shaped people sind in der heutigen Arbeitswelt und in crossfunktionalen Teams insbesondere unerlässlich.
Sie entstehen durch eine Kombination aus strategischem Training, einem förderlichen Arbeitsumfeld und gezieltem Rekrutieren. Indem man sowohl vertikales als auch horizontales Wachstum unterstützt, entwickelt man Fachkräfte, die innovativ, flexibel und bestens für die komplexen Anforderungen moderner Arbeitswelten gerüstet sind.